Die Geschichte der A40 ist eine der großen Sagas des Ruhrgebiets: Wie aus der
Reichsstraße 1 von Aachen nach Königsberg die Autobahn 40 wurde, die sich
wie keine andere deutsche Autobahn mitten durch die Innenstädte bricht,
die sie bedienen soll, ist zu einem der Symbole für die ungeheure technische
Überformung der Landschaft zwischen Ruhr und Emscher geworden, hier in den
künstlichen Mittelgebirgen der Halden, den gewaltigen Bauwerken der Kohle-
und Stahlindustrie oder der kanalisierten Emscher selber ebenbürtig. Anders
als auf Halden, an Kanälen oder vor Riesenbauwerken stehend, ist die Erfahrung
dieses Eingriffs jedoch (fast) nirgends eine kontemplative. Zu dominant
ist die Dynamik ihres Verkehrs, zu laut ihre Sphäre, zu funktional der Grund
unserer alltäglichen Begegnung. „A40 – Eine Reise“ führt uns auf und an
diese Straße, um sie als das wahrzunehmen, was sie, neben allem Lärm, aller
Gefahr und allem praktischen Nutzen, auch ist: ein kulturgeschichtliches
Zeugnis ersten Ranges, ein lineares Monument, ein Lebensraum und eine Verführung,
nicht zuletzt zum genauen Hinschauen: die stillgelegte Auffahrtsspur unter
einer Moosschicht, der unerwartete Mountainbikeparcours im Lärmschutzwald,
Frühstück in der Kleingartenanlage hinter der Tür in der Trapezblechwand
einer Tankstelle, Mittagessen bei Familie Meier, die von ihrem Kinderzimmer
aus die Unfälle an der Einfädelung der A52 zählt. Die A40 ist eben nicht
irgendeine Autobahn, die von A nach B führt, sondern ein zwischen System
und Ort, Verbindung und Blockade, Emission und Faszination schillerndes
Gebilde. „… an der nächsten Tanke wartet schon unser Fahrer … wir öffnen
eine Tür in der Schallschutzwand, drehen ’ne Runde und fahren weiter …“ Termine: 26. Juni, 24. Juli, 25. Juli
2010, jeweils von 10 bis 21.30 Uhr Kostenbeitrag: 69 Euro inklusive Verpflegung
und Transporte. Feste Schuhe, lange Kleidung und leichtes Regenzeug mitbringen.
Teilnehmerzahl: 17 10.00 Treffen in Essen am Hauptbahnhof
an der DB-Servicetheke. Dann Gang in die U-Bahn und Fahrt mit der U18 inmitten
der A40 bis zur Station Eichbaum.
10.35 Ankunft in Eichbaum. Komplexes
Verkehrsbauwerk, an dem die A40 den Verlauf des alten Hellwegs, der später
zur Reichsstraße und dann zur B1 wurde und an dem sich die alten Ruhrgebietsstädte
aufreihen, verlässt. Einfädelung der B1 und der U18 von Mülheim kommend.
Letztere sollte ursprünglich das gesamte Ruhrgebiet von Dortmund bis Duisburg
verbinden, im Duisburger Untergrund steht die Endhaltestelle bis heute im
Rohbau. Die A40 wird ab hier ländlicher. Eichbaumoper. Verlassen der Situation
über den wunderschönen Trampelpfad durch ein Maisfeld.
10.50 Michael und Ahmad erwarten uns
in zwei Kleinbussen auf dem Parkplatz vor der Pizzeria in der Blücherstraße/Ecke
Julius-Leber-Straße in Mülheim. Einstieg und Fahrt auf die A40 in Fahrtrichtung
Duisburg.
11.00 Ausstieg an Notrufsäule nach
Ruhrauenüberquerung. Abstieg vom Fahrdamm. Anschließend Unterquerung der
A40 und Weg über einen Bauernhof bis an den Ruhrschifffahrtskanal. Weite
Flussauenlandschaft mit aufgeständerter Autobahn. Viehzäune aus alten Leitplanken.
20.000 Ballen Stroh für den Duisburger Zoo! Dem Kanaldeich nach Westen folgen.
11.40 Ankunft bei Fisch Braun und der
ersten Erläuterungstafel zum „Landschaftspark Kreuz Kaiserberg“. Stadt,
Land, Fluss, Autobahnkreuz: die Autobahn als gliederndes und namengebendes
Landschaftselement (in Ergänzung zu ihrer Rolle als Fremdkörper). Besichtigung
der Fischteiche in diesem Sinne (der Landschaft als Fügung heterotopischer
Momente). Für jeden Teilnehmer eine Kräuterforelle kaufen!
12.00 Ankunft am Werthacker. Geschichte
der Siedlung als Selbstbauprojekt und ihre fortschreitende Entwicklung zur
Enklave zwischen den beiden meistbefahrenen Autobahnen Deutschlands, der
Eisenbahn und dem Kanal. Kampf um den Erhalt der Kirche. Wie das Dorf von
Asterix („… Ganz Gallien? Nein! …“). Die Forellen auf dem Spezialgrill braten.
Mittagessen, Kaffee und Kuchen an der gallischen Tafel.
13.10 Aufbruch vom Werthacker. Bunker,
Kaiserberghölle, geplante und dann aufgegebene S-Bahn-Station mit Zuwegen,
Honigpumpstation, Fußgängertunnel, Kaiserberg mit Aussicht auf Thyssenwerk.
13.45 Ankunft Lieferanteneingang Zookiosk.
Durchquerung des Zoos mit Überschreitung der A3 auf der Brücke mit Schriftzug
„Zoo“ aus Buchenhecke.14.00 Einstieg in Kleinbusse auf dem
Zooparkplatz an der Tigerkasse.
14.20 Ankunft Rhein-Ruhr Zentrum. Eintritt
durch den Personaleingang in das erste Einkaufszentrum Deutschlands „auf
der grünen Wiese“, an der Stadtgrenze von Mülheim zu Essen, A40 und U18.
Vorbei am Honigverkauf aus der Pumpstation, den Rentmeister Skulpturen und
dem Genossenschaftsladenbis hinauf auf das
Parkdeck.
14.40 Wiedereinstieg in die Kleinbusse
auf dem kabinettartigen, von niedrigen Mauern umfassten Sonderbereich des
Parkdecks. Rampe runter. Rampe hoch – zurück auf die A40 bis zur Abfahrtsspindel
Essen Zentrum.
15.00 Ausstieg in Essen an der Wächtlerstraße/Ecke
Auf der Donau. Anschließend 600 Meter Fußweg mit Blick durch die Notausgangstür
der Lärmschutzwand zwischen A40 und der parallelen Fußgängerüberführung
über das Gleisfeld. Unterquerung der A40 parallel zu den Gleisen. Dann an
der anderen Seite der A40 entlanggehen. Inschrift auf Lärmschutzwand: „Nicole
Müller, die versoffene, bisexuelle, asoziale, drogensüchtige, durchgefickte
Dreckshure.“ „Tod der bisexuellen Hure Nicole Müller.“ „Nicole Müller hat
Aids.“ „Nicole Müller, die größte Schlampe von Essen und Umgebung.“ Fußgängersteg
diagonal über die A40. Sozialer Äquator des Ruhrgebiets. Hier Gymnasium,
dort Hauptschule. Dazwischen die Brücke auf Höhe der ersten Obergeschosse.
15.15 Ankunft Haltestelle „Wasserturm“.
Einstieg in einen Bus der Linien 146 oder 147 in Fahrtrichtung Kray. Fahrt
ohne Lenken mit seitlichen Führungsrollen in einem Beton- und Rasenbett
inmitten der Autobahn.
15.25 Ausstieg an der Haltestelle „Feldhauskamp“,
auf Höhe der Einmündung der A52 in die A40. Unfallträchtigster Abschnitt
der A40.
15.35 Einbiegen in die Hombrucher Straße:
Einfamilienhäuser, fünf Meter Straße, dann Lärmschutzwände aus schmutzigem
Plexiglas. Eigenartig betäubte Situation, in der alles in weite Ferne rückt:
Die durch das Plexiglas sichtbare, gegenüberliegende Huckarder Straße, die
früher Hombrucher Straße hieß und deren Häuser noch heute nur gerade Nummern
tragen, während die ungeraden auf unserer Seite der Autobahn geblieben sind;
der Lärm, dessen Quelle durch das Plexiglas so sichtbar ist und der dafür
doch viel zu weit entfernt klingt – wie Stimmen, die man im Halbschlaf hört
oder der ferne Ruf des eigenen Namens beim Erwachen aus einer Ohnmacht.
15.45 Kaffee und Kuchen im Garten von
Familie Jürgens, ebenfalls Hombrucher Straße: Die pure Idylle. Dr. Jekyll
and Mr. Hyde! Unsere Gastgeber tragen T-Shirts mit der Aufschrift „A40 –
Verkehr ist unser Leben“. Das Haus ist noch in vollem WM-Schmuck, von der
Autobahn durch das Plexiglas gut sichtbar. Alle warten schon, was als nächstes
kommt. Im Winter natürlich Weihnachtsbeleuchtung. Dazwischen vielleicht
einfach mal „ARSCH LECKEN“.16.40 Einstieg in die Kleinbusse an
der Bushaltestelle Frillendorfer Platz. Zurück auf die A40 in Fahrtrichtung
Dortmund.
16.55 Ausstieg an den Überresten der
früheren Shell Tankstelle nach Abfahrt Bochum-Stahlhausen. Verlassen der
Tankstelle über den Pinkelpfad der Lkw-Fahrer. Anschließend ca. 50 Minuten
Fußweg durch die rauhe Industrielandschaft des Bochumer Nordwestens. Überquerung
der A40 auf der früheren Lorenbrücke im Anschluss an die Schlackenberge
aus der Edelstahlproduktion des benachbarten ThyssenKrupp- Werks. Mondlandschaft
mit Rauschen (Autobahn). Dazwischen ofenwarmes Brot aus türkischem Garten.
Erreichen der STAR Tankstelle in Fahrtrichtung Duisburg wiederum über Pfad
durch Wäldchen. Dieser ist nicht nur Pinkelpfad, sondern zugleich auch Fußweg
aus der benachbarten Siedlung „Carolinenglück“ zur Autobahngaststätte, die
zugleich Stammkneipe der Siedlungsbewohner ist. Auch sie wird, wie bereits
die gegenüberliegende Shell Tankstelle, bald der Verbreiterung der A40 weichen.
Hier Wiedereinstieg in die Kleinbusse.
17.30 Kurzer Halt am Tor des Kabeisemanns
Hof. Verlassener, denkmalgeschützter Gutshof, der zum Autohof umgebaut und
dann die drei im Zuge der A40-Verbreiterung abgerissenen Tankstellen (Shell
Tankstelle Stahlhausen, STAR Tankstelle Stahlhausen, Esso Tankstelle Dückerweg)
ersetzen soll. Wesentliche Schnittstellen zwischen Stadtraum und Autobahn,
wie zum Beispiel die Raststätte mit dem Siedlungsstammtisch, wird es dann
nicht mehr geben. Wie soll so aus der A40 jemals der vielbeschworene „Boulevard“
werden? Zurück auf die A40 in Fahrtrichtung Duisburg.
17.55 Ausstieg auf dem Lkw-Parkplatz
der Shell Tankstelle Vietingstraße in Bochum-Wattenscheid. Toilettenpause
und Sekt kaufen. Gang durch das Tor in der Lärmschutzwand. Versorgung der
dahinter liegenden Kleingartenanlagen durch den Tankstellenshop. Deshalb
war der Erhalt des Tors auch Teil des Tankstellenpachtvertrags bei Ausbau
der Lärmschutzwand vor einigen Jahren. Gang durch die Kleingartenanlage.
Audioinstallation von Zinganel/Hieslmaier mit Lebensgeschichten von Lastwagenfahrern,
Tankstellenpächterin und Gärtnern. Lastwagenfahrer haben sich mit Gärtnern
angefreundet und nutzen deren Lauben teilweise zum Übernachten. Zwischen
Friedhof und Lärmschutzwand entlang zur Westenfelderstraße gehen, die das
frühere Einfahrtstor von der B1 nach Wattenscheid war (Wandmalerei: Wappen
von Wattenscheid). Autobahn(baustelle) unterqueren. Dramatisches Straßenbild
zwischen A40 und Bundesbahnunterführung: Postkartenruhrgebiet. Dann durch
die Fichtestraße auf den Dückerweg: Siedlungsgrün mit geselliger Nachbarschaftsrunde
neben McDrive. Durch den McDonald’s auf die Burger- Abholspur, wo Michael
und Ahmad uns in den Kleinbussen erwarten. Fahrt um den Betonklotz von Seats
and Sofas herum auf das Parkdeck. Weite und Überblick: D&W, Burger King,
Polo’s (Motorradzubehör), Van Lieshouts „Motel Bochum“. Ursprung als alter
Autogewerbestandort an der B1, mit amerikanischem Autohaus, Schotterfläche
für Testfahrten und Schrottplatz. Bei Ausbau der B1 zur A40 bestand der
Autohändler auf eine eigene Abfahrt. Später Aufkauf der Grundstücke durch
Möbel West und Bau eines riesigen Möbelhauses. Detlev und Werner (D&W) haben
als Hobbytuner in einer Garage in Wattenscheid begonnen und sind dann später
ebenfalls hierher gezogen. Deshalb beliebter Treffpunkt der Tuningszene.
Bis vor kurzem gab es hier auch noch eine Tankstelle. Und noch früher auch
eine Gaststätte im Erdgeschoss eines Wohnhauses an der Stelle des heutigen
McDonald’s. In das zwischenzeitlich leer stehende Möbelhaus zogen dann neben
Seats and Sofas unter anderem Aldi (heute Atelco) und ein Fitnessstudio
ein. Wohnen, Tanken, Fitness, Gastronomie, Einzelhandel, Straßentreff: Der
Dückerweg ist eine Stadt im Kleinen, der in dieser Lage direkt an der Autobahn
nur damit zu erklären ist, da er an einer durch verstädtertes Gebiet führenden
Bundesstraße gelegen ist. Fehlt nur noch das Hotel, das in dieser Lage natürlich
ein Motel sein muss: So entstand die Idee zum „Motel Bochum“ (das mir während
meiner Recherche auch als Quartier diente).
18.50 Einstieg in die Kleinbusse. Ehrenrunde
auf dem Parkdeck. Zurück auf die A40 in Fahrtrichtung Dortmund.
19.05 Ausfahrt Dortmund Kley. Hier
trennen sich unsere Wege: Ein Wagen fährt nach der Autobahnabfahrt links
und wieder links, der andere rechts und wieder rechts. Durch Entwässerungsrohre
gelangen wir von zwei Seiten ins Innere des Autobahnkreuzes Dortmund West.
Kartenstudium auf der Brücke über dem Wasserauffangbecken. Dazu Sekt zum
Aperitif für das bevorstehende Abendessen. Verlassen des Autobahnkreuzes
wiederum durch die Rohre in jeweils entgegengesetzter Richtung. Einstieg
in die Busse und über die Auffahrt Dortmund-Dorstfeld zurück auf die A40
in Fahrtrichtung Dortmund. Dann Fahrt über die Schnettkerbrücke bis zur
Abfahrt Wittekindstraße, die zugleich das Ende der A40 und den (Wieder)beginn
der B1 markiert. Rechts und wieder rechts in die Rosemeyerstraße. Auf den
Parkplatz des Restaurants Aqua und bis zum Ende der asphaltierten Fläche
durchfahren. Dort erwartet uns eine festlich gedeckte Tafel mit Blick auf
die Schnettkerbrücke und über das Emschertal.21.30 Einstieg in die Busse und Rücktransport
der Teilnehmer zum Essener Hauptbahnhof oder wahlweise zur nahegelegenen
U-Bahn- Station Theodor-Fliedner-Heim.