„Von weither sichtbar und einprägsam scheint am Dückerweg ein mit Leopardenmuster beklebtes Flugzeug neben dem Parkplatz bei Burger King zu landen, aber in Wirklichkeit, von einem Gestänge gehalten, kann es bis in alle Ewigkeit zur Landung leider nur ansetzen. Auf seinen beiden Tragflächen stehen breitbeinig je drei grazile Schaufensterpuppen, mit Kunstfell spärlich behängt, Stahlhelme auf dem Kopf und sehen durch Schutzbrillen zur nahen Autobahn rüber.“ (Peter Piller)Die beiden Straßen Dückerweg und Vietingstraße teilen ein gemeinsames Schicksal: Sie kreuzen die A40, die sie bei ihrem Ausbau zur Autobahn endgültig zerschnitten hat. Über die Jahre hat diese Trennung eine äußerst unterschiedliche Entwicklung der sozialen Milieus in dem einst homogenen Stadtteil bedingt. Während sich der Dückerweg durch die eigene Abfahrt zu einer autobahntypischen Gewerbeagglomeration entwickelt hat, die von der „großen Straße“ lebt und mit dem Autotunershop D&W und dem Tunermeeting zum Motodrom der Region avancierte, hat sich auf der nur wenige Meter entfernten nördlichen Seite hinter der Lärmschutzwand eine beschauliche Kleingartensiedlung entwickelt. Im Gegenüber der ungleichen Nachbarn wird die Autobahn als hermetische Demarkationslinie verständlich, die auf den getrennten Seiten vollkommen unterschiedlichen Entwicklungen Raum gibt.Auf dem kurzen Weg von hier nach dort, vom Motodrom ins Gartenidyll informiert Peter Pillers Arbeit „Seitenwechsel“ nicht nur die Besucher, sondern gerade auch die benachbarten wiewohl strikt getrennten Milieus voneinander. Anhand einer subtilen Sprache, die ihren Ausdruck in der fotografischen Archivierung verlorener Details mehr oder weniger ungewollter Ereignisse und Handlungen und ihrer situativen Poesie findet, erfährt der Passant auf konventionellen Werbeträgern, Bildflächen oder lapidar auf Zäunen und Mauern angebrachten Werbetafeln von der befremdlichen Existenz des anderen in direkter Nachbarschaft. So stellt die fotografierte Ankündigung der Vorstandssitzung des Gartenvereins Centrum-Morgensonne e.V. neben der Mückengirlande einer unentstaubten Gartenlaube schwer zu beantwortende Fragen an die Tunergemeinde, wenn sie da auftaucht, wo D&W traditionell mit viel nackter Haut für Chrom und PS wirbt. Im Gegenzug verwirren die Andeutungen von Leder, Lack und High Heels, als die stets erotisch konnotierte Werbesprache der Tuningszene, den nur vermeintlich biederen Alltag der Schrebergartensiedlung.Zwischen diesen Spitzenwerten der Milieus verschwimmen die Grenzen beim Gang von hier nach dort durch den Teil von Wattenscheid, der nahezu aufgezehrt zwischen A40 und DB-Trasse ein Dasein am Rande des Verschwindens führt. In den direkt an der Autobahn gelegenen Wohnsiedlungen beißt sich nur solches Leben fest, das diesen Restraum hartnäckig als Heimat begreift. Die Zeichen der steten Anpassung seiner Bewohner an die Umstände sowie ihr charmanter Einfallsreichtum im Erdenken temporärer Lösungen werden in Pillers Arbeit zur Brücke zwischen den genannten Superzeichen der beiden Seiten. Eine subtile Spur fotografischer Zeugen eines improvisierten Lebens führt durch die Siedlungen zwischen Grünoase und PS-Parkplatz, um die Aufmerksamkeit des Wanderers zwischen den Welten herauszufordern. Dass Kunst und Wirklichkeit dabei nahtlos diffundieren, verstärkt diesen Effekt. Pillers spröde Fotografie eines nebensächlichen Details hält die Trennschärfe zwischen beiden bewusst flach, um den subtilen Rückzug von einer Identifizierbarkeit als Kunst in eine latente Ununterscheidbarkeit anzutreten. Die Aufmerksamkeit, die der Arbeit entgegengebracht wird, teilt sich fortan mit der Wirklichkeit. Die Tafeln werben für nichts als die ambivalent-fragile Schönheit dieses verlorenen Stadtraumes, in dem die Zeichen des Aufgebens und Erneuerns seiner Bewohner zu Ikonen einer Landschaft werden, die sich jenseits historischer Perspektiven und stets am Rande des Verschwindens hartnäckig selbst behauptet.