Mein
bislang erster und einziger Besuch in einem Autokino fand im zarten Alter
von 18 Jahren statt. Durch Zufall verschlug es mich an einem schlecht geplanten
Abend nach Bochum ins Autokino Wattenscheid. Das denkwürdige Ereignis, bei
dem ich und ein alter Freund in einem Opel Kadett mit defektem Scheibenwischermotor
einen namenlosen Film – freigegeben ab 18 Jahren – sahen, hatte nachhaltige
Wirkung. Im Privatraum des eigenen Wagens im öffentlichen Raum der Stadt
neben unsichtbaren Nachbarn an den Versorgungsschläuchen von Lautsprecher
und Heizung hängend, einen Film zu sehen, der die Intimität zweier Menschen,
die zudem nur beruflich miteinander zu tun haben, in die Unwirklichkeit
dieses Ortes projiziert, um sich direkt nebenan im realen Raum des fremden
Fahrzeugs mutmaßlich zu reproduzieren, hat Kapazität.
Wenn Foucault in seinem kurzen Text zu „Anderen Räumen“ vom Grundsatz spricht,
dass die Heterotopie es vermag, „mehrere Platzierungen zusammenzulegen,
die an sich unvereinbar sind“ und dann das Theater zitiert, das „auf dem
Viereck der Bühne eine ganze Reihe von einander fremden Orten aufeinander
folgen“ lässt, hört man das potenzierte Echo des Autokinos. Wenn er dann
von diesen Räumen als Heterotopien behauptet, sie seien „wirkliche Orte,
wirksame Orte, die in die Einrichtung der Gesellschaft hineingezeichnet
sind, sozusagen Gegenplatzierungen oder Widerlager, tatsächlich realisierte
Utopien, in denen die wirklichen Plätze innerhalb der Kultur gleichzeitig
repräsentiert, bestritten und gewendet sind, gewissermaßen Orte außerhalb
aller Orte, wiewohl sie tatsächlich geortet werden können“, begreift man
die Bedeutung einer solchen Typologie für die Stadt. Und ihre Parallele
zu den Orten entlang. der A40, von denen wir sprechen, ihren komplexen Zusammenlegungen,
Überlagerungen und Widersprüchlichkeiten, die sich im Sinne der Heterotopien
an diesen vereinen. Das Autokino als Repräsentant einer Systematik der Heterotopien
und einfach als Ort, um Filme zu sehen, feierte am Dückerweg zur Ausstellung
eine kurze Auferstehung, unweit der Stelle, an der bis vor kurzem das Autokino
Wattenscheid stand. Nur 400 Meter von hier ereignete sich vor knapp 30 Jahren
das Szenario im Kadett und wiederholte sich nun fast im Hier und Jetzt.
Das Autokino, das 2010 seinen fünfzigsten Geburtstag feiert und vom Aussterben
bedroht ist, erfuhr in der Ausstellung eine kurze Renaissance.
Mit der acht mal sechs Meter stattlichen Leinwand und einem über das Autoradio
eingespielten Sound kann es zwar infrastrukturell mit seinem großen Vorbild
nicht mithalten, lieferte aber den Gästen wie den Tunern den exotischen
Filmgenuss in bester Qualität und frei Haus. Dass die Autoszene dabei mit
Weekend von Jean-Luc Godard konfrontiert wurde (und sich tatsächlich damit
konfrontierte!) und das Kulturpublikum mit The Fast and the Furious, war
wichtig. Das Kino war als Vermittler zwischen den Welten die richtige Wahl
und stets bestens besucht. Jeden Freitag rollten die Wagen vor, drehten
sich die Klappstühle gen Leinwand, öffneten sich die Autotüren, um den Open-Air-Gästen
und Motorradfahrern Sound zu spenden. Ein illusteres Miteinander der Kulturen
auf dem Parkplatz am Dückerweg folgte dem gemischten Programm.