Schön sind sie nicht. Oft stören sie
sogar. Ihr Bau ist fast immer mit Konflikten verbunden. Dennoch sind Autobahnen
ein notwendiger Teil der modernen Stadt. Wer die räumliche Situation verbessern
will, muss lernen, mit der Autobahn als Stadtraum umzugehen. Schon durch
kleinere Maßnahmen kann dafür gesorgt werden, dass der Verkehrsalltag der
Menschen erträglicher gestaltet wird. Wer dann noch etwas weiter blickt,
erkennt, dass in der großen Straße auch eine große Aufgabe schlummert: Über
einzelne Stadtgrenzen und Zuständigkeiten hinweg kann man der Region ein
Gesicht geben. Dafür haben die Anrainerstädte zusammen mit dem Straßenbaulastträger
das Gestalthandbuch A40|B1 erarbeitet.
Die A40|B1 verbindet die Kernstädte
des Ruhrgebiets zu einem Raum. Entlang der Autobahn wird der Strukturwandel
der Region sichtbar. Auf einer fast 100 Kilometer langen Strecke kann sich
das Ruhrgebiet präsentieren – zum Beispiel mit interessanten Stadtkulissen,
neuen Technologieparks und national bedeutenden Universitätsstandorten.
Das Gestalthandbuch A40|B1 besteht
im Kern aus sieben Grundregeln. In diesen Regeln sind stadt- und verkehrsplanerische
sowie betriebswirtschaftliche Belange zur Synthese gebracht worden. Dadurch
erleichtert das Handbuch die Arbeit in der verkehrsplanerischen Praxis.
Die Grundregeln sorgen dafür, dass zukünftige Um-, Ausbau- und Pflegemaßnahmen
mit gestalterischen Aspekten verknüpft werden. Das, was in den kommenden
Jahren neu in die Straße investiert wird, soll etwas stadtverträglicher
und schöner gemacht werden.
So haben sich die Beteiligten beispielsweise
darauf geeinigt, dass bei zukünftigen Pflanzmaßnahmen immer die gleiche
Baumart im Vordergrund der Straße verwendet wird, sodass im Laufe der Zeit
über die Stadtgrenzen hinweg eine von Moers bis Unna durchgängige Allee
entsteht. Als Baumart wurde die Säuleneiche ausgewählt – ein Baum, der hin-
reichend industriehart ist und gleichzeitig durch seinen schlanken Habitus
auch bei dem oft geringen Platzangebot der A40 gepflanzt werden kann. Für
die zukünftigen Lärmschutzwände wurde Grün als Grundton festgelegt. Der
helle Ton der Wände steht im Kontrast zum dunklen Grün der Eichenblätter,
sodass der Alleebaum dadurch besser zur Geltung kommt. Gleichzeitig werden
die Lärmschutzwände an bestimmten Stellen farbig gestaltet, um auf be-sondere
Stadträume hinzuweisen oder um in monotonen Streckenabschnitten für etwas
Abwechslung zu sorgen. Anschlussstellen als Übergänge vom Straßenin den
Stadtraum werden rot markiert. Auf der Anwohnerseite werden die Lärmschutzwände
grundsätzlich begrünt. Auch straßenseitig werden die Wohngebiete durch einen
dichten Gehölzbestand von der A40 abgeschirmt. Repräsentative Stadträume
dagegen werden durch einen offen gestalteten Straßenrandbe- reich – teils
mit tranparenten Lärmschutzwänden – sichbargemacht. Landschaftsfenster öffnen
den Blick in angrenzende Freiräume. Als besonderes Gestaltungselement erzählen
kurze Texte an ausgewählten Brücken von den Eigenheiten der Städte. Unter
dem Titel „Ich bin einer von wir“ wird beschrieben, was die Menschen mit
ihrer Region verbindet: das viele Grün, der gute Fußball oder die geografisch
zentrale Position mitten in Europa. Die Straße wird so zur Bühne der Metropolregion
Ruhr.
Das Gestalthandbuch A40|B1 setzt einen
Rahmen, der die Strecke als Einheit erfahrbar macht. Gleichzeitig öffnet
es Gestaltungsspielräume, um auf lokale Besonderheiten reagieren zu können. Das von Straßen.NRW durchgeführte Projekt
„Barcode A40“ ist ein Beispiel dafür, wie dieser Rahmen ausgefüllt werden
kann. Hier waren die Menschen der Region und die Pendler der Straße aufgefordert,
durch bunte Farbstreifen auf einer Lärmschutzwand eine Geschichte zur Region
oder zum Verkehrsraum zu erzählen. Das Projekt wurde als Teil des deutschen
Beitrags auf der Architektur Biennale in São Paulo präsentiert. Auch der
renommierte Art Directors Club hat das Projekt 2010 als gelungenes Beispiel
für Kommunikation im öffentlichen Raum ausgezeichnet.
Mit dem Handbuch zeigen die Kommunen,
wie man auch großmaßstäbliche Verkehrsräume wieder in die Stadt re-integrieren
kann. Der Verkehrsraum bekommt eine besondere Bedeutung. Die Straße wird
als öffentlicher Raum zurückerobert und dabei wird die Gestaltung gleichzeitig
als verkehrspsychologisches Instrument genutzt.
Die Gestaltung von Autobahnen ist eine
neue, vielleicht nicht in allen Städten und Landstrichen offensichtliche
Aufgabe. Dass man sich im Ruhrgebiet seit einigen Jahren intensiv mit den
vielen Autobahnen der Region beschäftigt, verweist auch darauf, dass das
Ruhrgebiet nun mal anders ist.
Und das wird gut so.