Mitten im Autobahnkreuz Kaiserberg versteckt sich die Anlage von Herrn Braun. Nur wer den handwerklich versiert aus Aluminium geschnittenen Schildern folgt, die im Umfeld der großen Straße ganz ungewöhnlich für „Aale und Forellen“ werben, findet den ansonsten vollkommen hinter Hecken und Bäumen verborgenen Ort. Hinter dem unscheinbaren Tor öffnet sich unvermittelt eine wasserschlossartige Teichanlage mit Landschaftsqualität. Auf 30.000 Quadratmetern hat sich Herr Braun in Jahrzehnten mühsamer Arbeit eine eigene Welt gebaut, die ihresgleichen sucht. Bei meinem ersten Besuch entließ mich Herr Braun mit kalt geräuchertem Lachsforellenfilet extraordinärer Qualität, seiner unvergleichlichen Räucherforelle und dem Hinweis, dass sein Fisch süchtig macht. Es war keine leere Versprechung. Das, was er nach eigenem Räucherpatent herstellt, sucht seinesgleichen. Herr Braun, der seinen Vornamen nicht mag, führte mich über die kommende Zeit Schritt für Schritt immer tiefer in diese von ihm durch und durch gestaltete Welt. Nachdem ich auch ohne Angelschein das dem Verkaufstresen nachgeschaltete Pförtnerhaus passieren durfte und viel über die aus Tonnen von Ton- und Erdreich auf einer ehemaligen Flakstellung aufgeschütteten Teiche lernen konnte, die als voll biologische Anlage über dem Grundwasserspiegel liegen und allein aus der eigenen Quelle gespeist werden, stand ein Besuch im hinter den Teichen gelegenen Privatpark der Brauns an. Auch Haus und Hof sind wie all die subtil durchgestalteten Gartenanlagen von einer Hand geschaffen. Wenn Herr Braun von den allerorts verbauten Hohlblocksteinen im Blumenmuster erzählt, die er aus einer mallorquinischen Vorlage im Maßstab 4:1 skalierte und per Hand in Beton goss, um sie als tragende Bauelemente verwenden zu können, oder auf die handgefertigten Schriftzüge hinweist, die allesamt typografisch mit der Schrift „Salto“ gestaltet wurden, die er als ehemals thüringische Schrift aus Amerika reimportierte, bemerkt man die alles erfassende universale Interessiertheit und Detailverliebtheit dieses Lebensentwurfs – eine Welt in der Welt, ein autonomes Reich, eigenwillig und ökonomischpragmatisch zugleich. Die Teiche, Becken und Angelanlagen, die hauseigenen Räucheröfen nach geheimem Patent, die Sonnenterrassen und Parkanlagen, in denen die Hecken nicht Buchsbaum, sondern Cotoneaster (Zwergmispeln) sind, die Herr Braun zu einem fließenden Teppich von Grün organisiert hat – alles ist so arrangiert, dass das gesamte Gelände von einem Mann bewirtschaftet werden kann. Der Umstand hat ökonomische Gründe, weist Herrn Braun aber auch als Wagnerianer aus. Als Steuermann des selbst beauftragten Lebensentwurfs mit unikaten Gesetzen und komplexen Vorstellungswelten hat er in sich selbst einen eloquenten Darsteller gefunden, der seine Weisheiten gerne in Reimform verpackt, während er von Schlagermusik begleitet seine kulinarischen Schätze darbietet und die Forelle dem sanft-sicheren Ende im illuminierten Tötungsbecken zuführt. So ist er Geschäfts- und Verkaufsleiter, Planer und Architekt, Erfinder, Koch und Produzent und als Gärtner auratisch-humorvolles Faktotum dieses einzigartigen Ortes im ambivalenten Stadtraum entlang der A40.