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Ausstellung 2014

     

Andreas Wegner
GRAND MAGASIN & PAKETDIENST 36

Der „Paketdienst Esso 36“ nimmt Bezug auf die Schnittstellen Verkehr, Transport, Einkaufszentrum und ländliche Umgebung. In einer Zeit, als Einkaufszentren noch Passagen hießen und in hoch verdichteten städtischen Räumen die neuesten technischen Entwicklungen glanzvoll zu inszenieren wussten, wurden die Waren mit Pferdekutschen transportiert. Die Kaufhäuser standen in den Zentren der Städte. Dort stehen sie immer noch, aber eben auch vermehrt in ländlichen Gebieten. Das Rhein- Ruhr Zentrum (RRZ) ist abhängig von seinen guten Anbindungen. Neben Autobahnen, Bundes- und Landstraßen, Autobahnbrücken und Gleisanlagen liegen in den Räumen dazwischen Pferdekoppeln, Reiterhöfe, Bauernhöfe und Wagenburgen verstreut; je dichter an den Verkehrsachsen gelegen, desto verwegener. Was liegt näher, als nun die Pferde ihre Arbeit machen zu lassen, für die sie seit Generationen so geschätzt werden. Vom Parkdeck des RRZ fuhr täglich ein Wagen mit Pferdegespann Pakete und Waren in die nahe gelegene Umgebung. Der Versand von Paketen wurde von den Kunden des RRZ im Innern des Centers an der Paketstation „Esso 36“ in Auftrag gegeben. Der Paketstation angeschlossen war eine Filiale des Le Grand Magasin. Hier wurden Waren aus europäischen Genossenschaften, unterschiedliche Produkte wie Elektroartikel, Spielzeug und Haushaltswaren verkauft. In einer Werbebroschüre des Le Grand Magasin steht: „Einer Ware sieht man nicht an, wie sie produziert wurde. Dem Produzenten werden meist nur Informationen gegeben, die das Produkt betreffen. Im Allgemeinen entscheidet man sich nicht für ein Produkt, weil die Produzenten gute Arbeitsbedingungen haben. In Produktivgenossenschaften sind Angestellte und Arbeiter zugleich Beschäftigte und Eigentümer ihres Betriebes.“ Das erste, 1973 fertiggestellte Einkaufscenter Deutschlands, geplant von Walter Brune, dem Kö Erfinder, ist immer noch groß und angesichts der älteren eingesetzten „wertigen“ Stilelemente und Materialien fast sympathisch, verglichen mit dem „Themenpark“ des CentrO Oberhausen. Neben der Heimaterde auf der A40 liegt das RRZ mit seinen vielen tausend Parkplätzen. Die Autos sausen hintereinander weg von der A40 auf die das RRZ umkreisenden Straße. Runter von der A40, rum ums Center, rauf auf den großzügigen Dachparkplatz, Wagen in der Nähe der Aufzüge abstellen und gleich mehrere Aufzüge in unmittelbarer Nähe der Glaspyramide, die darunter liegende Center-Etagen lichtecht aufhellt, was genutzt wird, um den leckeren Gelatine-Erdbeerkuchen zu servieren oder wahlweise Spaghettieis aus dem italienischen Eiscafé gegenüber; dazwischen Rentner und Rentiers und ein vor sich hin plätscherndes 20 Quadratmeter großes Wasserbecken als Rechteck, zehn Zentimeter hoch befüllt. Und jetzt Kulturhauptstadt mitten im Center und auf dem Parkdeck.Auf den Namen „Heimaterde“ ist wohl Max Halbach gekommen, schließlich heißt es, er habe die Siedlung Heimaterde in den 1920er Jahren in Mülheim gegründet, nachdem die Idee der Gartenstadt, die von dem Briten Ebenezer Howard 1893 zum ersten Mal vorgestellt wurde, auch in Deutschland angekommen war, als Reaktion auf die schlechten Wohnund Lebensverhältnisse sowie die horrend steigenden Bodenpreise in den stark gewachsenen Großstädten.Max Halbach, der Prokurist bei Krupp, plante die Siedlung für die neu angeworbenen Kruppschen Arbeiter in Mülheim Heimaterde – ein schöner Name. Häuser mit Garten und einem Stall für zwei Schweine, eins davon zum Verkauf, um die Futtermittel für das andere wieder reinzubekommen.Heute liegt die Haltestelle Heimaterde der U18, die eine schnelle Verbindung zum RRZ vom Essener Hauptbahnhof oder von Mülheim aus garantiert, mitten auf dem Ruhrschnellweg A40. Von dieser Haltestelle aus sollte man lieber nicht versuchen zu telefonieren und Wartezeiten von über zehn Minuten, die zu bestimmten Zeiten nicht ungewöhnlich sind, sollte man nicht wie vorgesehen zwischen den Fahrstreifen der Autobahn verbringen – es sei denn man kategorisiert und zählt gerne vorbeifahrende Autos –, sondern in diesem Fall lieber zurückgehen, die Treppe hinunter und sich im Eingangsbereich der Haltestelle hinstellen. Bänke gibt es allerdings nur oben. Asphalterde.Der Frühling war verregnet, ungefähr bis zum 6. Juni. Ab dem 8. Juni jedenfalls herrschte schönes Wetter, beim Aufbau des Pferdeunterstandes für die Pferde Goldrand und Eico. Immer wieder entstiegen den klimatisierten, in Tempo zehn auf dem Parkdeck heranrauschenden schwarzen sechszylindrigen 4-Wheels-Limousinen mitleidige Fahrer und beschwerten sich beim Fuhrmann über den wenigen Schatten für die vor dem Planwagen ruhenden Zugpferde. Schließlich sorgte sich auch das Veterinäramt und ein Sonnensegel wurde gespannt, um den Tieren bei ihren ca. halbstündigen Verschnaufpausen Schatten zu spenden und die vermeintlichen Tierschützer zu trösten. Der Fuhrmann, Herr Bartsch aus Dortmund, hat die Pferde jeden Morgen auf dem Grundstück des nahe gelegenen Fahrstalls und Reiterhofs FRV Essen, der uns netterweise einen Teil des Parkplatzes als Standfläche für den Planwagen zur Verfügung gestellt hatte, transportiert und eingespannt. Den Planwagen bekamen wir von Herrn Boschuk gestellt. Herr Boschuk lebt in Oberhausen und ist Mitglied im IGZ, der Interessengemeinschaft Zugpferde e.V. Die IGZ ist bundesweit organisiert und engagiert sich für den Einsatz von Tieren in Landwirtschaft und Kommunen. Beispielhaft hierfür sind die amerikanischen Amish-Gemeinden, die sehr erfolgreich auch große landwirtschaftliche Flächen, vergleichbar mit Flächen europäischer Großbauern, ausschließlich durch den Einsatz von Pferden bewirtschaften. In diesen Gemeinden ist auch ein regelrechter Markt für zeitgemäße land- und forstwirtschaftliche Maschinen entstanden, die insbesondere den Einsatz von Zugpferden rentabel machen. Bei allen Beteiligten möchte ich mich für die gute Zusammenarbeit bedanken. Ohne die Unterstützung der Interessengemeinschaft Zugpferde e.V. und Herrn Boschuk hätte die Arbeit nicht realisiert werden können. Axel Brandt danke ich für seinen Einsatz und dem Kurator Markus Ambach für das entgegengebrachte Vertrauen.